Was sind die Funktionen von Schlaf? Warum ist Schlaf eigentlich wichtig?
Schlaf erfüllt zahlreiche kognitive, metabolische und immunologische Funktionen (Born & Birbaumer, 2019). Er spielt beispielweise eine entscheidende Rolle bei der Gedächtnisfestigung, stärkt das Immunsystem und bietet dem Gehirn die notwendige Erholung. Der Schlaf-Wach-Rhythmus folgt einem zirkadianen Zyklus, der sich alle 24 Stunden wiederholt. Dieser Rhythmus wird durch eine „innere Uhr“ gesteuert, die dem Körper signalisiert, wann es Zeit ist, wach zu sein und wann es Zeit ist, zu schlafen (Born & Birbaumer, 2019).
Die Rolle von Licht und Melatonin
Licht hat einen entscheidenden Einfluss auf den Schlaf-Wach-Rhythmus. Denn die „innere Uhr“ wird durch das Licht gesteuert, das unsere Augen wahrnehmen. Trifft kein Licht auf die Augen, erkennt unser Körper, dass es Zeit ist, müde zu werden und bereitet sich auf den Schlaf vor, indem das Hormon Melatonin freigesetzt wird. Melatonin hilft dabei, müde zu werden und einzuschlafen. Je dunkler es ist, desto mehr Melatonin wird ausgeschüttet. Wenn es dagegen hell ist, wird die Melatonin Produktion gehemmt, was dazu führt, dass wir wach bleiben (Born & Birbaumer, 2019).
Schlafzyklen und Schlafphasen
Der Schlaf besteht aus zwei Hauptphasen, die sich im Laufe der Nacht mehrfach wiederholen: die Rapid Eye Movement (REM)-Phase und die Non-Rapid Eye Movement (Non-REM)-Phase. Diese Phasen unterscheiden sich in der Tiefe des Schlafs und der Intensität der Träume (Born & Birbaumer, 2019). Während der REM-Phase träumen wir intensiver, während die Non-REM-Phase tiefen, erholsamen Schlaf bietet, der für die körperliche Regeneration wichtig ist.
Auswirkungen von Schlafmangel auf kognitive Funktionen
Schlafmangel und eine schlechte Schlafqualität haben einen großen Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit, insbesondere auf das Arbeitsgedächtnis (Könen et al., 2015). Das Arbeitsgedächtnis ist dafür zuständig, Informationen kurzfristig zu speichern und zu verarbeiten. Zu wenig oder zu viel Schlaf kann die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen, besonders am Morgen. Studien zeigen, dass Schlafqualität und -dauer am Morgen einen stärkeren Einfluss auf das Arbeitsgedächtnis haben, während nachmittags vor allem die wahrgenommene Müdigkeit die Leistung beeinflusst (Könen et al., 2015). Schlafmangel hat ebenfalls Einfluss auf Schwankungen des Arbeitsgedächtnis (Galeano-Keiner et al., 2022). Akuter Schlafmangel beeinträchtigt vor allem einfache Aufgaben wie die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit stärker als komplexe Aufgaben (Wickens et al., 2015). Obwohl langfristiger Schlafentzug die Reaktionsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeit deutlich reduziert, bleiben komplexere kognitive Fähigkeiten wie logisches Denken und Entscheidungsfindung länger stabil (Killgore et al., 2010). Wenn der Schlaf wiederhergestellt wird, können sich die kognitiven Fähigkeiten jedoch oft verbessern (Waters & Bucks, 2011).
Auswirkungen von Schlafmangel auf die Gesundheit
Langfristiger Schlafmangel oder Schlafstörungen können erhebliche gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Menschen, die unter chronischem Schlafmangel leiden, haben ein erhöhtes Risiko für ernsthafte Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Adipositas (Itani et al., 2016). Auch die psychische Gesundheit leidet unter Schlafstörungen. Es wurde nachgewiesen, dass Schlafmangel das Risiko für Entzündungen und psychische Erkrankungen erhöht (Scott et al., 2021).
Besonders besorgniserregend ist die Verbindung zwischen schlechter Schlafqualität und dem Risiko, im Alter an Demenz oder Alzheimer zu erkranken. Studien zeigen, dass Menschen, die an Schlafstörungen oder Schlaflosigkeit leiden, ein deutlich höheres Risiko haben, diese neurodegenerativen Erkrankungen zu entwickeln (Shi et al., 2018; Bubu et al., 2017).
Empfehlungen zur Verbesserung der Schlafhygiene
Aufgrund der weitreichenden negativen Folgen von schlechtem Schlaf ist eine gute Schlafhygiene von großer Bedeutung. Schlafhygiene umfasst verschiedene Verhaltensweisen und Umgebungsfaktoren, die den Schlaf verbessern und Schlafstörungen reduzieren können. Wissenschaftliche Empfehlungen zur Schlafhygiene basieren auf Studien und sind oft Teil der kognitiven Verhaltenstherapie bei Insomnie (CBT-I).
1. Konsequenter Schlaf-Wach-Rhythmus: Es wird empfohlen, täglich zur gleichen Zeit schlafen zu gehen und aufzuwachen, auch am Wochenende. Dies stabilisiert den natürlichen Schlaf-Wach-Zyklus des Körpers.
2. Optimierung der Schlafumgebung: Ein ruhiges, dunkles und kühles Schlafzimmer fördert den Schlaf. Eine Raumtemperatur von etwa 18 bis 20 Grad Celsius wird als ideal angesehen. Lärm- und Lichtquellen sollten vermieden werden, um die Melatoninproduktion nicht zu stören.
3. Vermeidung von Bildschirmzeit: Mindestens 30 Minuten bis eine Stunde vor dem Zubettgehen sollten elektronische Geräte wie Handys und Computer vermieden werden, da das blaue Licht die Melatoninproduktion unterdrückt .
4. Entspannungstechniken: Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, Atemübungen oder Meditation können helfen, den Stress zu reduzieren und das Einschlafen zu erleichtern.
5. Vermeidung von Koffein, Nikotin und Alkohol: Stimulanzien wie Koffein und Nikotin sollten nachmittags und abends vermieden werden, da sie den Schlafrhythmus stören können. Auch Alkohol, der oft als Einschlafhilfe genutzt wird, kann die erholsamen REM-Schlafphasen stören.
6. Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität fördert den Schlaf, sollte jedoch mindestens drei Stunden vor dem Schlafengehen abgeschlossen sein, um den Körper nicht zu stark zu aktivieren.
7. Bett nur für Schlafen nutzen: Das Bett sollte nur für Schlafen und sexuelle Aktivitäten genutzt werden, um eine klare Verbindung zwischen Bett und Schlaf herzustellen.
8. Schlafrestriktion bei Insomnie: Bei Schlafstörungen wie Insomnie wird empfohlen, das Bett nur dann zu nutzen, wenn man tatsächlich müde ist. Bei längeren Wachphasen sollte das Bett verlassen werden, bis die Müdigkeit eintritt.
9. Vermeidung von Nickerchen: Tagsüber sollten Nickerchen möglichst vermieden werden, da sie den Schlafdruck für die Nacht verringern können.
10. Regelmäßige Schlafrituale: Rituale vor dem Schlafengehen, wie Lesen oder Entspannungsübungen, signalisieren dem Körper, dass es Zeit ist, sich zu beruhigen und sich auf den Schlaf vorzubereiten.
Diese Empfehlungen dienen dazu, gesunde Schlafgewohnheiten zu etablieren. Sie helfen dabei, die Schlafqualität zu verbessern und Schlafstörungen langfristig zu lindern.
Literatur:
Born, J., & Birbaumer, N. (2019). Zirkadiane Rhythmik und Schlaf. In R. Brandes, F. Lang, & R. F.
Schmidt (Hrsg.), Physiologie des Menschen. Berlin: Springer Lehrbuch.
Bubu, O. M., Brannick, M., Mortimer, J., Umasabor-Bubu, O., Sebastião, Y. V., Wen,
Y., Schwartz, S., Borenstein, A. R., Wu, Y., Morgan, D., & Anderson, W. M.
(2017). Sleep, Cognitive impairment, and Alzheimer’s disease: A Systematic Re-view and Meta-Analysis. Sleep, 40(1). https://doi.org/10.1093/sleep/zsw032
Galeano-Keiner, E. M., Neubauer, A. B., Irmer, A., & Schmiedek, F. (2022). Daily fluctuations in children’s working memory accuracy and precision: Variability at multiple time scales and links to daily sleep behavior and fluid intelligence. Cognitive Development, 64, 101260. https://doi.org/10.1016/j.cogdev.2022.101260
Itani, O., Jike, M., Watanabe, N., & Kaneita, Y. (2017). Short sleep duration and health outcomes: A systematic review, meta-analysis, and meta-regression. Sleep Medicine, 32, 246–256. https://doi.org/10.1016/j.sleep.2016.08.006
Killgore, W. D. S. (2010). Effects of sleep deprivation on cognition. In G. A. Kerkhof & H. P. A. van Dongen (Hrsg.), Progress in Brain Research (Bd. 185, S. 105–129). Elsevier. https://doi.org/10.1016/B978-0-444-53702-7.00007-5
Könen, T., Dirk, J., & Schmiedek, F. (2015). Cognitive benefits of last night’s sleep: Daily variations in children’s sleep behavior are related to working memory fluctuations. Journal of Child Psychology and Psychiatry, and Allied Disciplines, 56(2), 171–182. https://doi.org/10.1111/jcpp.12296
Scott, A. J., Webb, T. L., Martyn-St James, M., Rowse, G., & Weich, S. (2021). Improving sleep quality leads to better mental health: A meta-analysis of randomised controlled trials. Sleep Medicine Reviews, 60, 101556. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2021.101556
Shi, L., Chen, S.-J., Ma, M.-Y., Bao, Y.-P., Han, Y., Wang, Y.-M., Shi, J., Vitiello, M. V., & Lu, L. (2018). Sleep disturbances increase the risk of dementia: A systematic review and meta-analysis. Sleep Medicine Reviews, 40, 4–16. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2017.06.010
Waters, F., & Bucks, R. S. (2011). Neuropsychological effects of sleep loss: Implication for neuropsychologists. Journal of the International Neuropsychological Society: JINS, 17(4), 571–586. https://doi.org/10.1017/S1355617711000610
Wickens, C. D., Hutchins, S. D., Laux, L., & Sebok, A. (2015). The Impact of Sleep Dis- ruption on Complex Cognitive Tasks: A Meta-Analysis. Human Factors, 57(6), 930–946. https://doi.org/10.1177/0018720815571935