von Voelkner & Radßat GbR
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22. April 2025
Einleitung Eine bedeutende gesellschaftliche Herausforderung ist der Klimawandel. Der Temperaturanstieg führt zu schwerwiegenden Folgen durch Wetter-extreme wie Hitzewellen, Starkregen, Winde und Zyklone, aber auch zu direkt gesundheitlichen Problemen des Menschen durch thermische Belastungen und UV-Strahlung (Brasseur et al., 2017). Um die weitreichenden Schäden des Klimawandels zu minimieren, sind eine Vielzahl von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen unumgänglich (Pachauri et al., 2014). Jene Maßnahmen gehen auch mit Verhaltensweisen in der Gesellschaft einher, die klimaschützend sind. Was klimaschätzende Verhaltens-weisen beeinflusst, erklärt unter anderem die Sozialpsychologie. Umweltschützende Verhaltensweisen sind vielmals auch klimaschützende Verhaltensweisen. Sozialpsychologie und Verhalten normativer Einfluss Das generelle menschliche Verhalten wird durch soziale Normen beeinflusst, einem Bezugssystem wie sich Personen verhalten sollten. Soziale Normen werden dabei auf unterschiedliche Art und Weise zwischen Personen weitergegeben. Neben verbalen und absichtlichen Belehrungen werden diese auch anhand nonverbaler Verhaltensweisen und dem Beobachten anderer Personen vermittelt (Klaus et al., 2014). Dies kann einer Person signalisieren, ob eine Verhaltensweise der sozialen Norm entsprach (Klaus et al., 2014). Eine bedeutende Rolle spielen dabei auch institutionelle Signale wie Gesetze, die vorgeben, was soziale Normen sind (Tankard & Paluck, 2016). Studien zum Autokinetischen Effekt von Sherif (1935) zeigen, welchen starken Einfluss die, durch eine Gruppe vorgegebene, Norm auf die Entscheidung eines Individuums der Gruppe hat. In dem Experiment saßen Versuchspersonen (Vpn) in einem dunklen Raum und sollten einen kleinen weißen statischen Punkt fixieren, der sich nach gewisser Zeit subjektiv zu bewegen schien. Es gab zwei Bedingungen. In der ersten Bedingung schätzten die Vpn zuerst allein die Amplitude ein, indem sich der weiße Punkt zu bewegen schien. Nachfolgend in einer Gruppe und dann erneut allein. Die Vpn bekamen in der Gruppe die Schätzungen der anderen Vpn mit. Das Ergebnis war, dass sich die Einzelschätzungen der Bewegungs-amplitude des Punktes in der ersten alleinigen Schätzung zwischen den Vpn stärker unterschieden als die Einzelschätzungen in der Gruppe. Wurden die Vpn darauffolgend ein weiteres Mal allein, d.h. nicht in der Gruppe, gefragt, blieben die Vpn bei ihrer den anderen Gruppenzugehörigen angepassten Schätzung. Das Experiment zeigt, dass die Vpn bei Konfrontation mit einem abweichenden Urteil durch die Gruppe ihr eigenes Bezugssystem aufgaben, um ihres dem der anderen Vpn anzupassen. Menschen nutzen sich im Austausch innerhalb einer Gruppe gegenseitig als Informationsquelle, sodass die Norm, nach der eine Person agiert, von dem sozialen Umfeld beeinflusst werden kann. Die Anpassung des eigenen Bezugssystems geschieht aufgrund normativer und informationaler Einflüsse, wobei der normative Einfluss das Bedürfnis einer Person nach Harmonie und sozialer Zustimmung bzw. das Vermeiden sozialer Ablehnung darstellt und der informationale Einfluss das Bedürfnis nach Verringerung von Unsicherheit (Deutsch & Gerard, 1955). Menschen passen sich insofern dem Verhalten ihrer sozialen Gruppe an, weil die Gruppennormen das Verhalten vorschreiben (Smith & Louis, 2009). Zu einer Verstärkung des Verhaltens einer Person kann es dabei kommen, wenn die Person merkt, dass ihr Verhalten durch die Eigengruppe unterstützt wird (Smith & Louis, 2009). Prädikationsmodelle in der Sozialpsychologie Den nachgewiesenen normativen Einfluss auf individuelles Verhalten findet sich in dem Modell der Theorie des geplanten Verhaltes (TPB; Ajzen, 1991) wieder. Das Modell der TPB (Vgl. Abb. 1) ist eines der einflussreichsten Prädiktionsmodelle der Sozialpsychologie. Das Modell erklärt, wie anhand von drei Prädiktoren (subjektive Norm, Einstellung und Verhaltenskontrolle) eine Verhaltensintention entsteht, die das geplante bzw. intentionale Verhalten einer Person voraussagt. Die Verhaltenskontrolle beeinflusst auch direkt das Verhalten. Sozialpsychologie und Verhalten im Kontext Klimaschutz Verhalten im Kontext Klimaschutz wird oftmals quasiexperimentell untersucht. Beispielweisehaben haben dies Reese et al. (2014) getan. Ziel war zu untersuchen, ob beschreibende soziale Normen zu einer Verhaltensänderung bezüglich der Handtuchverwendung in Hotels führen. Es wurden drei verschiedene Handtuch-wiederverwendungsschilder erstellt (3 Bedingungen), die zur Teilnahme am Handtuch-Wiederverwendungsprogramm der Hotels aufforderten. Je eines der drei Schilder wurde an dem Waschraumständer des Hotelzimmers angebracht. Ein Schild thematisierte die Bedeutung des Umweltschutzes. Die beiden weiteren Schilder verdeutlichten soziale Normen: Das zweite Schild vermittelte eine globale Norm (eine Norm, die für andere Hotelgäste charakteristisch ist) und das dritte Schild vermittelte eine Provinznorm (eine Norm, die für andere Gäste charakteristisch ist, die das gleiche Hotelzimmer nutzen). Teilnehmende der Studie waren Hotelgäste (n=132), die ihren Urlaub in je einem der zwei für die Studie ausgewählten Hotels in mitteleuropäischen Alpenorten verbrachten. Die unwissentlich an der Studie teilnehmenden Hotelgäste wurden per Zufallsprinzip einer der drei Bedingungen zugewiesen. Das Hotelpersonal zählte während des Experimentes, wie viele Handtücher benutzt wurden. Die Varianzanalyse ergab einen auf dem Alphaniveau von .01 signifikanten Effekt des Nachrichtentypus auf den Handtuchgebrauch (F(2,129)=7.41, =.10, p<.01). Die Hotelgäste mit dem Nachrichtentypus der Provinznorm (M=1.05, SD=.46) haben signifikant weniger Handtücher als die Hotelgäste mit dem Nachrichtentypus der globalen Norm (M=1.63, SD=.84), p<.001 und weniger Handtücher als die Hotelgäste mit dem Nachrichtentypus des Umweltschutzes (M=1.32, SD=.75), p=.13, nicht signifikant, benutzt. Eine weitere Varianzanalyse, bei der die Anzahl der Gäste pro Hotelzimmer berücksichtigt wurde, ergab weiterhin einen signifikanten Effekt des Nachrichtentypus auf den Handtuchgebrauch (F(3,128)=6.64, =.09, p<1). Laudenslager et al. (2004) untersuchten quasi-experimentell im Feld die Anwendbarkeit der Prädiktoren des Modells der TPB auf die klimaschützenden Verhaltensweisen: Recycling, Energie-einsparung und Mitfahrgelegenheit nutzen (vgl. Kapitel 3). Die Stichprobe bestand aus amerikanischen Luftwaffenangehörigen (n=307). Es wurde eine multiple Regression gerechnet. Die Prädiktoren des Modells der TPB erklären einen auf dem Alphaniveau von .01 signifikanten Teil der Varianz in den Intentionen der Luftwaffenangehörigen, zu recyclen (=.35, p<.001), Energie zu sparen (=.26, p<.01) und Fahrgemeinschaften zu bilden (=. =.21, p<.01). Das bedeutet, dass die Unterschiede in den Intentionen der Luftwaffenangehörigen, die jeweilige Verhaltensweise zu zeigen, auch durch die subjektive Norm, Einstellung und Verhaltenskontrolle erklärt werden konnte. Nach dem Modell der TPB steht die Intention dann im Zusammenhang mit dem Verhalten (Ajzen, 1991). Grundsätzlich bestätigt sich ein Zusammenhang zwischen sozialer Norm und klimaschützenden Verhaltensweisen (Berger, 2019; Etale et al., 2018; Gotschi et al., 2009; Reese et al., 2014). Ebenfalls bestätigt sich ein indirekten Zusammenhang zwischen subjektiver Norm und klimaschützenden Verhaltens-weisen (Arslan & Şar, 2018; de Leeuw et al., 2015; Han et al., 2010; Han & Yoon, 2015; Haustein & Hunecke, 2007; Kim et al., 2013; Laudenslager et al., 2004; Nigbur et al., 2010) und der Zusammenhang zwischen Verhaltenskontrolle und klimaschützenden Verhaltensweisen (Arslan & Şar, 2018; de Leeuw et al., 2015; Han et al., 2010; Haustein & Hunecke, 2007; Laudenslager et al., 2004; Silberer et al., 2020). Zudem besteht ein indirekter Zusammenhang zwischen der Einstellung und klimaschützenden Verhaltensweisen (Arslan & Şar, 2018; de Leeuw et al., 2015; Han et al., 2010; Han & Yoon, 2015; Haustein & Hunecke, 2007; Kim et al., 2013; Laudenslager et al., 2004; Nigbur et al., 2010; Silberer et al., 2020). Auch die Verhaltensintention, eine klimaschützende Verhaltensweise zu zeigen, steht im Zusammenhang mit dem tatsächlich gezeigten klimaschützenden Verhalten (Arslan & Şar, 2018; de Leeuw et al., 2015; Haustein & Hunecke, 2007). Diskussion Es zeigt sich, dass die Faktoren soziale Norm, Einstellung, Verhaltenskontrolle und Verhaltensintention Einfluss auf klimaschützendes Verhalten haben. Das Vermitteln von klimaschützenden Normen kann Menschen dazu motivieren, sich klimaschützend zu verhalten. Zukünftig sollten experimentelle Studien folgen, um die Anwendbarkeit der Faktoren zur Entwicklung nachhaltiger Interventions-maßnahmen zu untersuchen. Literatur Ajzen, I. (1991). The theory of planned behavior. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50(2), 179–211. https://doi.org/10.1016/0749-5978(91)90020-T Arslan, M., & Şar, S. (2018). Examination of environmentally friendly “green” logistics behavior of managers in the pharmaceutical sector using the Theory of Planned Behavior. Research in Social and Administrative Pharmacy, 14(11), 1007–1014. https://doi.org/10.1016/j.sapharm.2017.12.002 Berger, N., Lindemann, A.-K., & Böl, G.-F. (2019). Wahrnehmung des Klimawandels durch die Bevölkerung und Konsequenzen für die Risikokommunikation. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 62(5), 612–619. https://doi.org/10.1007/s00103-019-02930-0 Brasseur, G. P., Jacob, D., & Schuck-Zöller, S. (Hrsg.). (2017). Klimawandel in Deutschland. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-50397-3 de Leeuw, A., Valois, P., Ajzen, I., & Schmidt, P. (2015). Using the theory of planned behavior to identify key beliefs underlying pro-environmental behavior in high-school students: Implications for educational interventions. Journal of Environmental Psychology, 42, 128–138. https://doi.org/10.1016/j.jenvp.2015.03.005 Deutsch, M., & Gerard, H. B. (1955). A study of normative and informational social influences upon individual judgment. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 51(3), 629–636. https://doi.org/10.1037/h0046408 Etale, A., Jobin, M., & Siegrist, M. (2018). Tap versus bottled water consumption: The influence of social norms, affect and image on consumer choice. Appetite, 121, 138–146. https://doi.org/10.1016/j.appet.2017.11.090 Gotschi, E., Vogel, S., Lindenthal, T., & Larcher, M. (2009). The Role of Knowledge, Social Norms, and Attitudes Toward Organic Products and Shopping Behavior: Survey Results from High School Students in Vienna. The Journal of Environmental Education, 41(2), 88–100. https://doi.org/10.1080/00958960903295225 Han, H., Hsu, L.-T. (Jane), & Sheu, C. (2010). 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